Wenn das Immunsystem die Kontrolle übernimmt – die stille Entzündung hinter Müdigkeit und Chaos
1. Wenn die Schilddrüse in die Defensive geht
Ich habe im Laufe der Jahre gemerkt: Kaum ein Organ steht so unter Dauerbeschuss wie die Schilddrüse.
Bei fast jeder zweiten Person mit chronischer Müdigkeit, Gewichtsschwankungen oder Hautproblemen sehe ich ein Muster – die Schilddrüse steht unter Entzündungsdruck.
Und nein, das beginnt nicht erst bei Hashimoto oder wenn die Antikörper im Labor hoch sind.
Oft läuft dieser Prozess leise, über Monate oder Jahre.
Die Schilddrüse ist ein sehr empfindliches Organ. Sie arbeitet mit feinsten Signalen, reagiert auf jede Störung im Stoffwechsel – und wenn das Immunsystem anfängt, überzureagieren, wird sie zum Ziel.
Nicht, weil sie „defekt“ ist.
Sondern weil der Körper überfordert ist, weil er nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.
Ich nenne das die biochemische Orientierungslosigkeit:
Der Körper ist so lange im Stress, in Entzündung, in Mangel, dass er irgendwann die eigenen Strukturen verwechselt.
Und dann schießt er auf die Falschen.
2. Hashimoto – wenn Schutz in Angriff kippt
Hashimoto-Thyreoiditis ist im Grunde nichts anderes als eine chronische Überreaktion des Immunsystems auf das eigene Schilddrüsengewebe.
Das Immunsystem erkennt bestimmte Bestandteile (meist Thyreoglobulin oder TPO) als „fremd“ – und beginnt, Antikörper zu bilden.
Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Die eigentliche Frage ist: Warum verliert das Immunsystem überhaupt die Toleranz?
Ich habe in der Praxis fast nie jemanden gesehen, der einfach „zufällig“ Hashimoto bekommt.
Immer steckt eine Kombination dahinter:
- Chronischer Stress
- Darmprobleme
- Mikronährstoffmängel
- Östrogendominanz
- Zu viel Vitamin D bei zu wenig Gegenspielern
- Schwermetall- oder Umweltbelastungen
Die Schilddrüse ist kein Feind – sie ist Opfer der Umstände.
Wenn sie zerstört wird, dann nicht, weil sie etwas falsch gemacht hat, sondern weil sie mitten in der Schusslinie steht.
3. Der Darm – Ursprung vieler Entzündungen
Man kann nicht über Schilddrüsenprobleme sprechen, ohne über den Darm zu reden.
Etwa 70 % des Immunsystems sitzen dort.
Wenn die Darmbarriere durchlässig wird – Stichwort Leaky Gut – gelangen unvollständig verdaute Proteine, Bakterienfragmente und Toxine ins Blut.
Das Immunsystem reagiert – logisch.
Aber wenn das dauerhaft passiert, ist es, als würde jemand ständig an der Alarmanlage rütteln.
Diese permanente Aktivierung führt zu einer systemischen Entzündung, und irgendwann schwappt sie über – in die Schilddrüse, die Leber, das Gehirn.
Viele Hashimoto-Verläufe beginnen im Darm, lange bevor sich jemand Gedanken über TSH oder fT3 macht.
Und genau hier liegt die Chance:
Wer den Darm heilt, entlastet automatisch die Schilddrüse.
4. Die Leber – Entgiftung, Hormonbalance und Immunmodulation
Die Leber ist das große Filterorgan.
Sie baut überschüssige Hormone ab, neutralisiert Toxine und sorgt für eine stabile Energieproduktion.
Doch sie ist auch ein Immunorgan – über 80 % der Immunzellen des Körpers zirkulieren in der Leber.
Wenn die Leber überlastet ist, wird aus Entgiftung Reizung.
Und das betrifft direkt die Schilddrüse:
- Östrogen wird schlechter abgebaut → Entzündungsneigung steigt.
- Schwermetalle, Medikamente oder Alkohol hemmen Deiodasen → weniger aktives T3.
- Glutathion sinkt → oxidativer Stress nimmt zu → Angriff aufs Gewebe.
Du kannst es dir vorstellen wie ein Domino:
Fällt der erste Stein – also die Leber – kippt das ganze System nach hinten.
Deshalb sage ich immer: Wer seine Leber schützt, schützt seine Schilddrüse.
5. Das emotionale System – Stress als Zündfunke
Ich glaube, die meisten unterschätzen, wie stark Emotionen auf die Schilddrüse wirken.
Wenn du über Monate in Anspannung lebst, permanent im „Fight or Flight“, dann hat dein Körper keine Kapazität mehr für Aufbau, Regeneration oder Hormonausgleich.
Cortisol ist kurzfristig hilfreich – langfristig zerstörerisch.
Es hemmt die Umwandlung von T4 → T3, erhöht rT3, unterdrückt Immunregulation und treibt Entzündungen an.
Viele Hashimoto-Patienten erzählen denselben Satz:
„Es hat angefangen, als ich die Kontrolle über etwas verloren habe.“
Ein Job, eine Beziehung, ein Schicksalsschlag – und das System kippt.
Das Immunsystem spiegelt diesen Kontrollverlust, indem es die eigenen Strukturen attackiert.
Biochemie folgt Emotion.
Und das ist keine Esoterik.
Das ist Stressbiologie.
6. Der Weg zurück – Regeneration statt Kampf
Ich sage es immer wieder:
Man kann keine Schilddrüse „heilen“, wenn man gegen sie kämpft.
Sie braucht Schutz, Nährstoffe, Ruhe – und Verständnis.
Regeneration beginnt mit Entzündungsabbau.
Nicht durch Verzicht, sondern durch Versorgung.
- Kupfer für die Oxidationsabwehr (Ceruloplasmin)
- Zink und Vitamin A für die Schleimhautintegrität
- Selen als Immunmodulator
- Gute Fette (Omega-3, Phospholipide) für Zellmembranen
- Gleichgewicht zwischen Ruhe und Aktivität
Viele erwarten schnelle Veränderungen – aber die Schilddrüse arbeitet langsam.
Sie denkt in Wochen, nicht in Stunden.
Das Entscheidende ist: Der Körper vergisst nichts.
Wenn du beginnst, ihm wieder Sicherheit zu geben, reagiert er. Immer.
7. Fazit – Die Schilddrüse als Spiegel deines inneren Gleichgewichts
Die Schilddrüse zeigt uns, wie es wirklich um uns steht.
Nicht auf Social Media, nicht in der Außenwirkung – sondern tief drinnen.
Sie ist empfindlich, aber sie ist ehrlich.
Sie reagiert auf Stress, auf Mangel, auf Ungleichgewicht.
Und sie belohnt dich, wenn du dich wieder um sie kümmerst.
Ich habe in den letzten Jahren so viele Menschen gesehen, die dachten, sie seien „kaputt“.
Dabei war ihr Körper nur im Schutzmodus.
Wenn man versteht, dass Heilung kein Kampf ist, sondern ein Prozess des Loslassens – dann kann die Schilddrüse wieder atmen.
Und das spürt man.
Mehr Energie. Mehr Klarheit. Mehr Ruhe.
Das hier war Teil 3 unserer Reise.
Und ganz ehrlich: Wir kratzen noch immer nur an der Oberfläche.
Denn jedes Mal, wenn du glaubst, du hättest die Schilddrüse verstanden, zeigt sie dir eine neue Facette.
Bleib dran – denn das System Körper ist komplex, aber niemals zufällig.
Die Schilddrüse ist der Spiegel davon.
Und wer hinschaut, findet nicht nur Hormone – sondern sich selbst.